Wie stärken wir eine vielfältige, offene und tolerante Gesellschaft?
Pegida-Aufmärsche, Wahlerfolge der AfD, Hetze im Internet, fremdenfeindliche Übergriffe, der Lübcke-Mord – all dies zeigt, dass sich das gesellschaftliche Klima in Deutschland in den letzten Jahren verändert hat. „Die Grenze des Sagbaren hat sich verschoben“, stellt Prof. Dr. Rainer Fretschner, Professor für Soziale Arbeit an der Alice Salomon Hochschule Berlin, fest. Und wenn sich die Grenze des Sagbaren verschiebe, werde dies auch mit der Grenze des Machbaren geschehen.
Ideologien der Ungleichwertigkeit bedrohen die Soziale Arbeit
Warum ist diese Entwicklung gerade für Wohlfahrtsverbände besorgniserregend? Margit Berndl, Vorstand Verbands- und Sozialpolitik des Paritätischen in Bayern, stellt die Verbindung zu den Grundwerten des Verbands her: „Die Neue Rechte propagiert ein Gesellschaftsbild, das von Aus- und Abgrenzung geprägt ist. Damit stellt sie unsere Grundwerte Vielfalt, Offenheit und Toleranz in Frage.“
Prof. Fretschner zeigt auf, wie stark die „Ideologie der Ungleichwertigkeit“ dem Selbstverständnis Sozialer Arbeit als Menschenrechtsprofession widerspricht: „Die Neue Rechte hat ein krudes Verständnis davon, was "normal" ist. Menschen, die diesem Verständnis nicht entsprechen wie Homosexuelle, Menschen mit Beeinträchtigung oder Menschen mit Migrationshintergrund werden abgewertet und ausgegrenzt. Das heißt, wir müssen schon allein im Interesse unserer Klient*innen gegen diese Vorstellungen eintreten. Aber auch aus reinem Egoismus. Denn wir werden nicht mehr nach unseren ethischen und professionellen Standards arbeiten können, wenn diese Positionen mehrheitsfähig werden.“
Aber sind diese Haltungen nicht eher eine Randerscheinung? Die Ergebnisse der Mitte-Studien und der Forschungen von Wilhelm Heitmeyer zu gruppenbezogener Menschenfeindlichkeit legen einen anderen Schluss nahe: „In der Mitte unserer Gesellschaft gibt es einen Nährboden für die Positionen der Neuen Rechten.“ Und dieser wachse stetig an, wie Prof. Fretschner am Beispiel von Homosexuellenfeindlichkeit zeigt, die mittlerweile 40 Prozent der Bevölkerung teile. Vor zehn Jahren lag der Anteil noch bei etwa einem Viertel. „Die von rechts gewollte Diskursverschiebung findet längst statt.“
Wie stärken wir Vielfalt, Offenheit und Toleranz?
Was kann Soziale Arbeit tun? „Wir müssen klare Grenzen ziehen und auch mal konfrontativ sein. Akzeptierende Ansätze - beispielsweise der Jugendarbeit - sind gescheitert. Wir müssen für Demokratie eintreten und demokratische Werte vermitteln“, rät Prof. Fretschner.
Auf der Mitgliederversammlung des Paritätischen in Bayern wurden in vier Workshops weitere Informationen und Empfehlungen für spezifische Bereiche gegeben: Digitale Kommunikation, Umgang mit rechten Tendenzen bei Klient*innen, Mitarbeiter*innen etc., Instrumentalisierung sozialer Organisationen durch rechte Akteure und der Rollback im Gender- und Familiendiskurs.
Der Paritätische in Bayern wird sich weiter mit diesem wichtigen Thema auseinandersetzen. Der Wunsch bei unseren Mitgliedern, ein klares Zeichen gegen Rechts zu setzen und sich auszutauschen und zu vernetzen, wurde bei der Landesmitgliederversammlung sehr deutlich.
Gemeinsam werden wir für unsere Grundwerte eintreten: Vielfalt, Offenheit, Toleranz!